Der
vorliegende Ratgeber soll „....den
Leser in die Lage versetzen, besser
abschätzen zu können, ob eine Adoption
für ihn persönlich in Frage kommt und
denjenigen Anregungen und Wissen
vermitteln, die sich bereits dazu
entschlossen haben, schon adoptiert
haben oder sich professionell mit dem
Thema befassen“ (S.5)
Schon
das Inhaltsverzeichnis zeigt, dass eine
Fülle von wichtigen Fragen behandelt
wird:
Einleitung
Warum adoptieren Menschen Kinder?
Wichtige
Überlegungen
Kinderwunsch und Adoption
Der schwierige Weg zur Entscheidung
Kann man nur mit Kindern glücklich
sein?
Pflegekind oder Adoption?
Kann man ein adoptiertes Kind genauso
lieben wie ein 'eigenes'?
Und wie ist das mit den Genen?
Kinderglück ohne Schwangerschaft?
'Ihr werdet bestimmt schwanger, wenn das
Kind dann da ist'
Wieso geben Menschen ihr Kind zur
Adoption frei?
Ausland
oder Inland?
Gestaltet
sich das Leben mit ausländischen
Adoptivkindern schwieriger?
Uns ist es egal wo das Kind herkommt
Ein weißes Kind hat es leichter
Welches
Kind passt zu uns?
Wir wollen
uns nicht überfordern
Ein Kind bis zu einem Jahr
Ein Mädchen
Ein Waisenkind
Ein intelligentes Kind
Wir möchten mehrere Kinder
Welche
Kriterien muss man erfüllen?
Wie alt darf man für eine Adoption
sein?
Wie viel Geld muss man verdienen?
Muss man seinen Beruf aufgeben?
Wie groß muss die Wohnung sein?
Haben auch kranke Bewerber eine Chance?
Partnerschaft und soziales Umfeld
Lebensziele
Wie sind die Chancen auf ein Kind?
Häufige
Aussagen von
Adoptionsvermittlungsstellen
Adoptivfamilien
leben in einer Sondersituation
Das Kind darf nicht der Ersatz für ein
leibliches Kind sein
Die Adoption ist ein Trauma
Die Kinder sind geschädigt
Es ist wichtig, dass das Kind seine
Wurzeln kennt
Sie müssen erst Ihre Kinderlosigkeit
verarbeitet haben
Wir suchen Eltern für Kinder
Vorbereitungen
Freuen
oder nicht?
Das Adoptionstagebuch
Das Gespräch mit den zukünftigen Großeltern
Das Gespräch mit dem Arbeitgeber
Das
Adoptionsverfahren
Landesjugendämter
Fragebogen
Lebensbericht
Adoptionsarten
Freie Vermittlungsstellen
Das
Adoptionsverfahren - Sonderfälle
Stiefkindadoption
Die Erwachsenenadoption
Adoption durch Singles, Schwule und
Lesben
Voraussetzungen
der Adoption
Die rechtlichen Folgen der Adoption
Kann man
die Adoption wieder auflösen?
Das Erbrecht
Kindergeld, Steuern, Erziehungszeit etc.
Das
Leben mit Adoptivkindern
Die erste Zeit
Adoption
und alles ist gut?
Die erste Begegnung mit dem Kind
Vorsehung oder Bürokratenakt
Ich will ein Baby sein
Du sollst noch etwas Baby bleiben
Was
ist schon normal?
Verhält
sich unser Kind normal?
Bindungsstörungen
Mein Kind treibt mich in den Wahnsinn
Adoptiert sein ist nicht normal
Integration
Was ist eigentlich eine Familie?
Rituale
Die Sprache
Doppelte kulturelle Identität
Wo ist die Identität des Adoptierten?
Muss man ein Kind aus Äthiopien äthiopisch
erziehen?
Aus Tran Truong wird Elisabeth Schulze
Du bist aber ein schönes Kind
Sind Sie denn so sozial eingestellt?
Du bist adoptiert
Dankbarkeit
und Schuld
Wer
schuldet wem Dankbarkeit?
Wärst du etwa lieber im Heim geblieben?
Die
Schule
Male einen
Stammbaum
Verschiedene Kinder - verschiedene
Talente
In der Schule sagt einer Neger zu mir
Die
leiblichen Eltern
Die
leiblichen Eltern
Die Suche nach den leiblichen Eltern
Kontakte
Die
Wurzeln
Kann man
ohne Wurzeln leben?
Erinnerungen an früher
Verbände,
Initiativen, Selbsthilfegruppen
Informationen im Internet
Weiterführende Literatur
Adoptionsvorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches
Adoptionsvermittlungsgesetz
So adoptiert man in Österreich
So adoptiert man in der Schweiz
Quellenangaben
Stichwortverzeichnis
Impressum
Alle
aufgeworfenen Themen werden in kurzen,
übersichtlichen Kapiteln diskutiert.
Zahlreiche Hinweise auf genutzte und
weiterführende Quellen finden sich in
den jeweiligen Kapiteln und dem über 50
Seiten starken Anhang. Die ansprechende
äußere Gestaltung und eine große Zahl
von aus der Praxis gegriffenen
Fallbeispielen erleichtert die Lektüre.
Zu der für Adoptionsbewerber wichtigen
Frage der Abgrenzung von
Pflegekindschaft und Adoption wird
folgendes formuliert:
„Adoption und Pflege haben
gemeinsam, dass ein fremdes Kind in die
Familie kommt. Beide Formen
unterscheiden sich jedoch vor allem in
ihrer rechtlichen Konstruktion ganz
wesentlich voneinander.
Während bei einer Adoption
die rechtlichen Verbindungen zwischen
Adoptivkind und seinen leiblichen Eltern
vollständig gekappt werden, bleibt ein
Pflegekind immer ein Mitglied seiner
Herkunftsfamilie. Dies liegt daran, dass
eine Pflegschaft als vorübergehende Maßnahme
verstanden wird, die zum Ziel hat, das
Kind wieder zu seinen leiblichen Eltern
zurückzuführen. Die leiblichen Eltern
verlieren nicht den Schutz des Art. 6
Grundgesetz (Schutz von Ehe und Familie)
und die Pflegeeltern müssen sich darauf
einstellen, dass das Kind irgendwann
einmal zu seiner Herkunftsfamilie zurückkehrt.“
(S.12f.)
„Pflegeeltern,
die sich seit Monaten oder Jahren
liebevoll um das ihnen anvertraute Kind
gekümmert haben, können sich meist
nicht vorstellen, dass eine Herausgabe
ohne eine wesentliche Gefährdung des
Kindeswohls vonstatten gehen soll. Sie müssen
dennoch damit rechnen, dass der zuständige
Richter die Sachlage anders beurteilt
und das Kind nicht in der Pflegefamilie
bleiben kann.
Grundsätzlich kann man
davon ausgehen, dass etwa '60 Prozent
der Pflegekinder in den Pflegefamilien
bleiben und in ihnen groß werden.'
Wer sich für ein
Pflegekind interessiert, kann sich zur
Beratung an sein Jugendamt wenden, oder
mit den einschlägigen Interessengruppen
Kontakt aufnehmen.“ (S. 16)
Weil
viele Kapitel in ihrem didaktischen
Aufbau sehr ähnlich gestaltet sind,
soll hier nur beispielhaft aus
einigen zitiert werden:
„Das Ehepaar Müller adoptiert ein
Kind, bei dem sich bereits vor der
Adoption zeigte, dass es mehrmals
operiert werden muss. Zum jetzigen
Zeitpunkt kann keiner der behandelnden
Ärzte sagen, ob die Operationen zu
einem Erfolg führen werden. Die Müllers
sind eine Ausnahme. Die meisten Bewerber
wünschen sich ein Kind, das keine
Beeinträchtigungen mitbringt. Spätestens
beim Ausfüllen der Antragsformulare
gibt es dann die ersten Schwierigkeiten,
wenn danach gefragt wird:
'Würden Sie auch ein
beeinträchtigtes Kind oder ein
behindertes Kind akzeptieren? Ja () Nein
()' Was soll man darauf antworten? Natürlich
hoffen die meisten auf ein völlig
gesundes Kind. Wenn man nun aber sein
Kreuz bei 'Nein ()' macht, führt dies
dann dazu, dass man im Amt ganz unten im
Aktenstapel landet und keine Chancen auf
Vermittlung hat? Wenn man allerdings bei
'Ja ()' ankreuzt - wird einem dann
vielleicht ein behindertes Kind
vermittelt, das man so gar nicht wollte?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich
diese Frage mit 'ja' oder 'nein' nicht
beantworten lässt. Ein Kind, dem an
einer Hand ein Finger fehlt, ist beeinträchtigt
und ein Kind, das eine
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hat, ist es
auch. Eine Beeinträchtigung liegt dann
vor, wenn das Kind einen schweren
Herzfehler hat, aber auch dann wenn es
an einer leichten Spastik leidet. All
diese Fälle sind kaum miteinander zu
vergleichen.
Es empfiehlt sich deshalb
bei der Frage nach Beeinträchtigungen
zu antworten: 'Das kommt darauf an'. Man
kann dies dann später im persönlichen
Gespräch mit der Fachkraft der
Vermittlungsstelle präzisieren.
Spätestens in diesem Gespräch
muss man dann aber darlegen, welche
Vorstellungen man sich von seinem zukünftigen
Kind macht. Viele antworten: 'Wissen
Sie, es soll ja auch ein Kind sein, das
zu uns passt. Es ist ja auch für das
Kind nicht gut, wenn wir uns überfordern.'
Dies ist natürlich
völlig richtig. In der Tat sollte sich
niemand überfordern. Selbstverständlich
ist es für ein körperlich oder geistig
behindertes Kind nicht gut, in eine
Familie zu kommen, die Behinderungen als
Makel erlebt und mit den Einschränkungen
des Kindes nichts anfangen kann. Es ist
auch sicherlich nicht gut für das Kind,
wenn seine Eltern nicht angemessen auf
die Anforderungen reagieren, sondern in
ihrer Hilflosigkeit die Situation nur
verschlimmern.
Es ist dennoch
problematisch, wenn sich Bewerber nur in
der Lage sehen, ein süßes kleines,
gesundes und intelligentes Mädchen zu
erziehen und glauben, bei der Erziehung
eines beeinträchtigten Kindes überfordert
zu sein. Vielfach werden so an ein
Adoptivkind höhere Anforderungen
gestellt als an ein leibliches Kind.
Viele Adoptionsbewerber
haben Maßnahmen der künstlichen
Befruchtung hinter sich. Hier lässt
sich kaum einer von Meldungen wie diesen
abschrecken: 'Das Mainzer
Geburtsregister zeigt bei natürlich
gezeugten Kindern gut fünf Prozent
Fehlbildungen, bei denen nach ICSI
jedoch 16 Prozent. Retortenkinder leiden
auffallend oft an Geburtsschäden,
Entwicklungsstörungen und Erbdefekten.
Auch Krebsleiden scheinen häufiger
vorzukommen. Weltweit - auch in
Deutschland - sind bis zu vierzig
Prozent jener Neugeborenen, die mit
medizinischer Hilfe gezeugt werden,
Mehrlinge, meist Zwillinge. Die oft viel
zu frühe Geburt dieser Kinder geht häufig
mit Defekten einher, die eine Hypothek für
das ganze Leben darstellen. Die von der
kassenärztlichen Bundesvereinigung
herausgegebenen Richtlinien über künstliche
Befruchtung verlangen daher ausdrücklich
die Beratung der Paare auch über die höheren
genetischen Risiken der
Spermieninjektion.'
Manche Paare haben trotz
aller Risiken über Jahre versucht, auf
diesem Weg schwanger zu werden. Über
jedes Kind, das ihnen so geschenkt
worden wäre, hätten sie sich
unermesslich gefreut. Es ist dann nicht
immer nachvollziehbar, wenn später bei
der Adoption Anforderungen an ein
angenommenes Kind gestellt werden, die
kaum zu erfüllen sind.“ (S.33/34)
“Gerhard
(60 Jahre) und Doris (41 Jahre) wollen
gerne ein Kind adoptieren. Gerhard ist
mit Doris in vierter Ehe verheiratet und
auch Doris hat bereits eine Ehe hinter
sich. Gerhard verfügt über ein
gesichertes Einkommen und das
Reiheneckhaus ist bald abbezahlt. Als
die beiden das Jugendamt aufsuchen, ist
die zuständige Sozialarbeiterin von den
Adoptionsplänen wenig begeistert. Sie hält
das Paar nicht grundsätzlich für
ungeeignet, hat aber doch wegen des
Alters von Gerhard erhebliche Bedenken.
'Wissen Sie, ich bezweifle gar nicht,
dass sie gute Eltern sein könnten und
es ist ja auch nicht grundsätzlich
verboten, in ihrem Alter zu adoptieren.
Aber nach den Bestimmungen der
Landesjugendämter sollen der
Altersunterschied zwischen Adoptiveltern
und ihrem Kind nicht mehr als 40 Jahre
betragen. Deshalb muss ich ihren Wunsch
leider ablehnen.
Das Gesetz
selbst sieht kein Höchstalter vor.
Grundsätzlich ist es deshalb nicht
verboten, wenn zwei Fünfzigjährige ein
Kind adoptieren.
Die Adoption eines
nichtverwandten Kindes im Inland wird in
diesem Alter jedoch kaum gelingen. Es
gibt zu viele Bewerber und die
Adoptionsvermittlungsstellen können aus
so vielen geeigneten Paaren auswählen,
dass sie sich in der Regel nicht für
das Paar entscheiden, bei dem ihnen der
Altersabstand zwischen Kind und Eltern
zu groß erscheint. Bewerber über
vierzig haben daher in Deutschland nur
geringe Chancen. Bei manchen Jugendämtern
wird die Grenze bereits bei 35 Jahren
gezogen.
Wer für eine
Inlandsadoption zu alt ist, kann jedoch
durchaus bei einer Auslandsadoption
Erfolg haben. Die
Adoptionsvermittlungsstellen für ausländische
Kinder ziehen oft keine starren
Altersgrenzen und so haben hier manchmal
auch etwas ältere Bewerber noch eine
Chance.
Es ist jedoch immer zu
beachten, dass es in den einzelnen Ländern
Anforderungen an das Alter geben kann,
die eingehalten werden müssen. Wenn ein
Land festgelegt hat, dass für
Adoptivbewerber ein Höchstalter von 40
Jahren gilt, kann die
Adoptionsvermittlungsstelle für zwei
45-jährige Bewerber auch dann keine
Vermittlung durchführen, wenn sie sie für
sehr geeignet hält.
Verheiratete Paare, bei
denen einer deutlich älter als der
andere ist, sind gegenüber
unverheirateten Paaren benachteiligt.“
(S.44)
„Oft
wird von Ämtern und Medien die Meinung
verbreitet, die Beantragung einer
Adoption sei generell ohne Aussicht auf
Erfolg und tatsächlich gibt es viele
Paare, die schon seit Jahren ergebnislos
auf ein Kind warten. Das ist jedoch
nicht die Regel. Es gibt viele Paare,
die schon nach ein paar Monaten ein Kind
vermittelt bekommen haben und in manchen
Familien haben sogar ganze Fußballmannschaften
von Kindern ein neues Zuhause gefunden
(die Leiterinnen der freien
Adoptionsvermittlungsstellen ICCO und
Pro Infante haben jeweils 14 Kinder
adoptiert).
Grundsätzlich lässt sich
allerdings feststellen, dass es
angesichts der seit Jahrzehnten rückläufigen
Adoptionszahlen nicht leicht ist, ein
Kind zu adoptieren. Seit dem Jahr 1978,
als die Zahl der Adoptionen mit 11.224 Fällen
einen Höchststand erreichte, sind die
Vermittlungen bis 2004 um etwa die Hälfte
zurückgegangen. Dabei ist zu beachten,
dass davon noch 314 auf sogenannte
Verwandtenadoptionen entfielen und 2.916
auf Stiefkindadoptionen. (S.53)
„Hannah
und Tobias S. kommen in das Jugendamt
von Musterstadt, um sich für die
Adoption eines Kindes zu bewerben. Im
Gespräch verdeutlicht Ihnen die zuständige
Mitarbeiterin, dass es ganz wesentlich für
Bewerber sei, dass ein angenommenes Kind
niemals der Ersatz für ein leibliches
Kind sein könne. Tobias S. meint
daraufhin: 'Selbstverständlich. Das ist
uns völlig bewusst. Es wäre ja auch
unfair dem Kind gegenüber.’ Auf dem
Nachhauseweg, als das Paar noch einmal
über die Angelegenheit spricht, fragt
er dann seine Frau: 'Sag mal, was hat
die denn eigentlich damit gemeint, dass
das Kind kein Ersatz sein kann? Ich hob
natürlich zugestimmt, aber eigentlich
verstehe ich das nicht.'
Wenn man im Bedeutungswörterbuch
des Duden nachschaut, findet man unter
'Ersatz': 'Person oder Sache, die an die
Stelle einer nicht mehr vorhandenen
Sache oder nicht mehr verfügbaren
Person tritt.'
Folgt man dieser Definition, so kann
ein Adoptivkind ein Ersatz sein, wenn
ein leibliches Kind gestorben ist und
ein angenommenes an seine Stelle tritt.
Tatsächlich gibt es Fälle, in denen
ein Sohn oder eine Tochter stirbt, dann
ein Kind angenommen wird und es zur
Verdeutlichung dessen, welchen Sinn
seine Adoption hat, auch gleich noch den
Namen des Verstorbenen erhält. In
diesen Fällen ist es sehr deutlich,
dass das Adoptivkind der Ersatz für das
leibliche Kind ist.
Was aber ist, wenn das Paar
vorher noch gar keine Kinder hatte? Kann
ein Adoptivkind auch dann ein Ersatz
sein? Kann man etwas ersetzen, das es
noch nie gegeben hat?
Mit der Forderung, dass ein Adoptivkind
kein Ersatz sein darf, ist Folgendes
gemeint: Jedes Adoptivkind hat eine
eigene Persönlichkeit und es hat ein
Recht darauf, dass es mit dieser Persönlichkeit
respektiert wird. Es darf kein Lückenbüßer
für ein Kind sein, das nie geboren
wurde. (S.58)
Die
kritische Auseinandersetzung mit den
Adoptivkindvermittlern ist an vielen
Stellen des Buches geradezu erfrischend:
„Viele Faktoren machen eine
Adoption zu einem psychischen
Gesundheitsrisiko. Das adoptierte Kind
hat normalerweise leibliche Eltern, die
ihrer Aufgabe schlecht gewachsen sind,
sich nicht um ihr Kind kümmern können
und es deshalb weggeben müssen. Die
Schwangerschaft mag unerwünscht gewesen
sein, das Kind kann anderweitig nicht
versorgt werden. Das Kind kann zu den
Elternfiguren, die es nicht versorgen
konnten, eine schlechte Bindung
entwickelt haben. Vernachlässigung oder
Missbrauch können Grund für die
Adoption sein, die wiederum zu
traumatischen Trennungs- und
Verlusterlebnissen führt. Und: Als
adoptiertes Kind wird es von
adoptierenden Eltern erzogen, die ihre
eigene Geschichte von Frustration und
Verlust haben, die sie motiviert hat,
Elternschaft durch Adoption zu
verwirklichen.'
Solche und ähnliche Aussagen
bekommen Adoptionsbewerber und
Adoptiveltern häufig zu hören.
Dass Kind und Eltern viele
negative Erfahrungen in ihre Beziehung
mitbringen, ist nicht zu bestreiten.
Dennoch bleiben Fragen:
Wieso soll bei einem Kind,
das von seinen Eltern vernachlässigt
worden ist und das zu anderen Eltern
kommt, die Adoption ein
Gesundheitsrisiko sein? Um das Risiko für
die Gesundheit auszuschalten, müsste
das Kind konsequenterweise bei seinen
biologischen Eltern bleiben, die es
weiter vernachlässigen - eine eher
absurde Schlussfolgerung. Die Ursache für
die Adoption ist, dass die leiblichen
Eltern nicht für das Kind sorgen
konnten, dass es von seiner leiblichen
Mutter getrennt wurde, vielleicht
vernachlässigt wurde, etc. All dies
kann zu Traumatisierungen und
Gesundheitsgefährdungen führen.
Schlimme Erlebnisse sind meist der
Grund, weshalb es zur Adoption kam und
nicht Folge der Adoption. Man darf hier
nicht Ursache und Wirkung verwechseln.
Dennoch können auch das
Adoptionsverfahren und das anschließende
Zusammenleben mit den neuen Eltern zu
traumatischen Folgen führen. (S 60/61)
Zur
Identitätsentwicklung des
Adoptivkindes findet der Leser
folgenden Textauszug:
„Immer wieder liest man davon,
dass Adoptierte auf der Suche nach ihrer
Identität sind, dass es wichtig ist,
sie bei dieser Suche zu unterstützen
und dass es manchen von ihnen nicht
gelingt, zu einer persönlichen Identität
zu finden.
Die Schwierigkeit bei
solchen Aussagen liegt darin, dass nicht
ganz klar ist, was Identität eigentlich
ist, wo man sie findet und wie man
merkt, dass man eine gefunden hat.
Eine allgemein gültige
Definition von Identität gibt es nicht.
Das führt dazu, dass der Begriff
‚Identität’ selbst Identitätsschwierigkeiten
hat. Identitätsdiskussionen werden -
mit erhöhtem Kollisionsrisiko - zum
Blindflug.
Zunächst einmal leitet
sich der Begriff Identität vom
lateinischen 'idem' ab, was soviel wie
dasselbe oder derselbe bedeutet.
Ein Stuhl, der am Montag eingekauft
wird, ist am Donnerstag noch immer
derselbe. Er ist identisch.
Auch ein Auto ist nach ein
paar Tagen - vorausgesetzt, man ist
damit nicht gegen eine Wand gefahren -
immer noch dasselbe. Es ist identisch.
Beim Menschen ist die Sache
schon komplizierter, da er sich ständig
ändert, manchmal von Tag zu Tag.
Menschen verändern ihre Gefühle, ihre
Einstellungen, ihr Denken und Handeln.
Viele überlegen sich, wie es nur hat
kommen können, dass sie so ganz anders
geworden sind, als sie sich das früher
vorgestellt haben. Und sie denken darüber
nach, wie sie sich verändern können,
um in der Zukunft noch besser leben zu können.
Sie sind also nicht statisch wie ein
Stuhl oder ein Auto, sondern einer
laufenden Entwicklung unterworfen.
Dennoch spricht man auch bei ihnen von
einer Identität, von der so genannten
‚Ich-Identität’, oder ‚persönlichen
Identität’. Es handelt sich dabei um
einen relativ modernen Begriff, der etwa
seit den 60er Jahren in den
Sozialwissenschaften benutzt wird.
Abhandlungen über die
Identität und die Ich-Identität füllen
ganze Bibliotheken. Letztlich geht es
aber immer um eine ganz zentrale Frage:
'Wer bin ich?'
Unter Identität versteht man, dass sich
ein Mensch als eine geschlossene Einheit
ansieht und dass er selbst davon überzeugt
ist, trotz der eigenen Entwicklung und
der Veränderung der Umwelt dieselbe
Person zu bleiben.
Die Identitätsentwicklung findet immer
im sozialen Kontext statt. Eltern,
Schule, Freunde, Verwandte und
Nachbarschaft - sie alle übernehmen
eine wichtige Rolle bei der Vermittlung
von Identität.“ (S.156/157)
Im
Anhang findet der Leser nützliche
Hinweise auf Internetseiten, weiterführende
Literatur, Interessenverbände und
Gesetzestexte.
Das
Buch erfüllt den selbstgestellten
Anspruch in jeglicher Hinsicht und ist
darüber hinaus eine reichhaltige
Fundquelle für Fachkräfte, weil viele
Studien und deren Resultate vorgestellt,
auf ideologische Mängel abgeklopft,
dialektisch diskutiert und deren
Aussagen auf praktische Verwertbarkeit
hin geprüft werden. Es ist leicht
lesbar und allen, die sich mit dem Thema
Adoption beschäftigen, zur Lektüre wärmstens
zu empfehlen.
Christoph
Malter
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